Musik produzieren mit dem iPad!

Professionelle Musik am iPad recorden - geht das? Ja, es geht!

Für das Betriebssystem iOS gibt es zahllose Apps, die sich dem Ziel widmen, das Smartgerät als digitales Tonbandgerät bzw. auch als Midi-Sequenzer zu verwenden. Doch kommt dabei mehr als eine kaum ernstzunehmende Spielerei heraus? Wir loten aus, ob ein iPad für professionelle Musiker-Ansprüche reicht oder vielleicht gerade besondere Stärken bietet?

Zugegeben, wir müssen uns der Antwort auf die Frage zurückhaltend annähern, da wir keine Profi-Musiker sind. D.h. wir betreiben Jazz-Funk als Stilrichtung eher als Hobby aber dennoch ambitioniert. Und wird sind seit Jahrzehnten auf der Suche, nach einem geschmeidigen Sequenzer. Angefangen hat es noch zu Commodore C64-Zeiten mit dem patternbasierten Sequenzer "Supertrack" von Gerhard Lengeling. Später ging es zum Atari und dann kam irgendwann ein Personal Computer mit Steinberg-Cubase-Sequencern, die wir via Soundkarte vom Mischpult aus mit Audiodaten und natürlich mit Midi befeuerten.
Und dann kam irgendwann ein iPad ins Haus. Derzeit sind es zwei iPad Pro 12,9''. Das geniale ist natürlich das große Display und die durchgehende Touchbedienung. So kann man direkt am Instrument den Touchscreen bedienen und auch einen Recording-Button drücken, ohne erst eine Maus bemühen zu müssen. Klar, dafür braucht man eine passende, professionelle Halterung, die man im Traumflieger-Shop "Traumflieger Smart-Grip" findet. Erste intensive Versuche scheiterten aber an den virtuellen Instrumenten, die wir in verschiedenen iOS-Sequencern im Hintergrund auf Spuren luden und die dann regelmäßig abstürzten. Dann war nicht selten ein kompletter Neustart des iPads nötig. Die Audio-Unit-Schnittstelle ist zwar im Prinzip klasse, da man mehrere Instanzen desselben virtuellen Instruments mehrfach im Sequencer bzw. der Host-Recording-Software laden kann und so unterschiedliche Sounds auf verschiedenen Tracks abspielen kann. Und man kann sogar die virtuellen Instrumente direkt im Sequencer steuern und Parameter ändern. Aber Abstürze gehören leider zum täglichen Brot des iOS-Musikers, wenn man hier seinem Sequencer eine bunte Mischung mit verschiedenen Synthesizern via Audio-Unit oder auch mit weniger potenten aber nicht minder absturzgefährdeten Inter-Audio-Apps bestückt und sie dann abspielen möchte.

Frust macht sich bei uns breit und der Gedanke nimmt Gestalt an, dass ein iPad nicht als Digitale Audio-Workstation taugt. Einen Ausweg sehen wir mit Sequencern wie Ableton Live bzw. später auch Bitwig. Letzteren haben wir dann über einen touchfähigen Windowsrechner "Surface Pro" per Fingertouch bedient. Das Prinzip ist ähnlich einem iPad, da Bitwig einen Touchmodus bietet, mit dem sich der szenenbasierte Sequencer auch vollständig per Fingertouch bedienen lässt. Nur schlägt die Touchbedienung leider nicht unbedingt auf Plugins durch. Das von uns ebenfalls als virtuelles Instrument installierte Omnisphere lässt sich nur sehr unkomfortabel per Fingertouch bedienen und so kommt alsbald eine Tastatur auf den Schreibtisch. Die Vorzüge einer durchgehenden Touchbedienung werden damit aber durchbrochen und man kann sich fragen, ob der Weg zurück zur klassischen Maus-/Tastaturbedienung und ein PC oder Mac nicht die logische Folge sein müsste. Hybridlösungen, bei dem die DAW wie Ableton Live via App drahtlos fernbedient werden (etwa mit der App Touchable) haben uns nicht wirklich überzeugt. Die Oberfläche kommt uns zu antiquiert vor. Auch Spiegellungen des Desktop-Computers auf ein iPad mit der App "Duet" sind wackelig bzw. die dann am iPad angebotenen Schaltflächen eignen sich nur suboptimal für die Bedienung per Fingertouch, da sie ja für die Mausbedienung am Computer konzipiert sind.

Garageband die Wollmilchsau - aber eine vollständige Midi-Implementation fehlt

Dann starten wir einen zweiten Versuch am iPad geboren aus der Erkenntnis, dass wir zu viele virtuelle Instanzen über Audio-Spuren umgehen und so dem Problem abstürzender Audio-Units aus dem Weg gehen können. Da wir patternorientiertes Sequencing lieben, stehen unter iOS auch reichlich Lösungen bereit. Die wohl bekannteste dürfte die App "Garageband" sein, die mittlerweile kostenlos installiert werden kann. Die App ist eine wahre Fundgrube an hervorragenden Instrumenten, Audio-Loops und Spielhilfen. Ohne weiteres taxieren wir den Wert auf etwa 200 EUR, die Apple den Anwendern kostenlos bereitstellt. Doch sie wendet sich schon noch eher an weniger technisch versierte Anwender und verzichtet etwa auf Midi-Kanäle. Uns stört auch, dass man virtuelle Instrumente nur spielen kann, wenn das Instrument mit Bedienelementen eingeblendet wird. Es reicht nicht, nur die Spur ausgewählt zu haben. Das verdeckt viele Spuren und nimmt die Übersicht. Dennoch ist Garageband ein Goldschatz und sollte in keiner Musiker-Sammlung fehlen. Man kann nicht nur virtuelle Instrumente per editierbarer Mididaten spielen sondern auch Audio-Daten recorden, loopen und auch virtuelle Instrumente einbinden (aber Vorsicht mit Abstürzen).

Der geschmeidige Looper mit vielen Extras

Wir sehen uns auch die App "Blocs Wave" näher an, die im Verbund mit "Launchpad" ein reiner Audio-Looper ist. Der ist allerdings derart elegant programmiert, dass die Anwendung der reinste Spaß ist. 8 Spuren können in 6 Blöcken aufgenommen werden. Die Blöcke bzw. Szenen lassen sich nahtlos wechseln, so dass ein Song aus 6 Strophen komponierbar ist. Audiodaten können nicht nur vom internen Mikrofon, einer Soundkarte sondern auch virtuellen Instrumenten stammen. Dafür lässt sich die App "Audiobus" nutzen, wo sehr viele virtuelle Instrumente als Eingangskanal konfigurierbar sind und wo als Empfänger u.a. die App "Blocs Wave" gewählt werden kann. Jetzt steht unter Blocs Wave als Audioeingang das so hinterlegte virtuelle Instrument auf dem Eingangskanal zur Aufnahme bereit. Möchte man später das Projekt mit den Audiospuren beliebig mischen, können die Aufnahmen auch insgesamt in die ebenfalls von Novation programmierte App "Launchpad" exportiert werden! Hier können dann auch finale Audiorecordings durchgeführt werden, die noch einen gewissen Livecharakter haben. Stark ist Blocs Wave bei der Verwaltung von Audiodateien, die direkt zur Auswahl gestellt werden und die sich auch kategorisieren lassen. Klasse auch, dass die Tonart automatisch transponiert werden kann, da ein starker Timestretching-Algorithmus an Bord ist. Ist das schon professionell? Bedingt. Es fehlen noch ein paar Effektplugins und ein Mastering aber im Prinzip lassen sich schon sehr hochwertige Ergebnisse erzielen. Und klar, die Midi-Welt wird hier etwas außen vor gehalten, auch wenn immerhin die Synchronisation externer Geräte oder anderer Instanzen auf dem iPad per Ableton Link-synchronisiert werden können.







flottes Live-Recording für Audioloops

Einen ähnlichen Weg wie Blocs Wave geht im Prinzip "Loopy HD", das als Audio-Looper ausgelegt ist und wo Mididaten nur zur Synchronisation bzw. externer Spurensteuerung dienen, wo aber Midisteuerdaten nicht in einem Editor bzw. zum erneuten Abspielen aufgezeichnet werden. Looper HD ist aber besonders stark für Audio-Loops, um sehr schnell ein Mehrspuren-Fundament aufzubauen, das sich auch live auf der Bühne entwickeln lässt. 6, 9 oder 12 Spuren können parallel aufgezeichnet werden. Per Fußpedal (oder anderem Midigerät) lassen sich einzelne Spuren triggern. Multiswitches können etwa per Fuß jede einzelne Spur gezielt ansteuern und so gestartet, gestoppt oder recorded werden. Es stehen derart viele Optionen bereit, dass sich eine ganze Live-Session programmieren lässt bzw. dann gezielt gesteuert werden kann. Zwar lässt sich ein kompletter Song derzeit nicht direkt komponieren, da die Spurenansicht zwar als Session (ähnelt einer Strophe) gespeichert werden kann, aber die Sessions müsste man nahtlos aneinander reihen können, was aber so nicht möglich ist. Ein Workaround besteht in einem Audio-Export der Session, um sie dann in einer anderen App zu einem Song zusammenzuführen. Dank zahlreicher Exportfunktionen ist dies ein durchaus gangbarer Weg.



Alles inclusive - Korg Gadget 2.0


Das Problem externer virtueller Instrumente, die mit Absturzpotenzial einhergehen, umgeht die App "Korg Gadget", die mittlerweile in Vers. 2 u.a. für iOS verfügbar ist. Die dort aktivierbaren 40 Instrumente bzw. Gadgets stammen alle von Korg und so lassen sich auch mehrere Instanzen aktivieren und sowohl Midi- als auch Audio-Spuren aufzeichnen. Für letzteres ist vor allem das kostenlose Gadget Zürich zuständig. Die App ist loopbasiert, man entwickelt anhand der Loops aber gleich einen vollständigen Song. Der Zugriff auf alle Instrumentenparameter ist jederzeit aus der App heraus möglich, so dass eine Audio-Unit-Funktionalität vorliegt, ohne mit deren Nachteile konfrontiert zu sein. Audiostreams lassen sich allerdings nicht direkt über Apps wie "Audiobus" in Korg Gadget einleiten. Hier kann man ggf. ein zweites iOS-Gerät als Ausgang nutzen und so an virtuelle Sounds gelangen, die man dann in Zürich aufzeichnet. Oder man importiert Audiodateien, die man ggf. vorher in einer anderen App aufgezeichnet hat. Etwa über das oben besprochene Blocs Wave. Das ist im Prinzip kein Problem, da auch Korg Gadget via Ableton Link synchronisiert. Schade dennoch, dass keine Audiobus-Unterstützung vorliegt. Seit Vers. 2 kann Gadget auch externen Instrumenten per Midi ansteuern, so dass reine Mididaten abspielbar sind. Dank Kanal- und Master-Effekten aber auch Spuren-Automation und ohne Spurbegrenzung ein Fast-Rundum-Sorglos-Paket. Gadgets wie mächtige Synthesizer a la Korg Wavestation etc. aber auch Sampler, Slicer, Drum-Machines etc. runden die Lösung ab. Vielfältige Exportfunktionen auch zur PC- oder Mac-Welt (wo ebenfalls Korg Gadget verfügbar ist) öffnen die App! Man kann aber durchaus deutlich oberhalb von 100 EUR investieren, möchte man alle Tools nutzen. Zum Start sind 18 der 40 Gadgets aber schon kostenlos freigeschaltet.

Beatmaker 3 - die ausgewachsene, Szenen- und Songbasierte DAW


Fast noch mächtiger als Garageband oder Korg Gadget scheint uns die App "Beatmaker 3" zu sein. Hier liegt ebenfalls ein szene- bzw. patternbasierter Sequencer vor, der sowohl Audio- als auch Midi-Daten aufzeichnet. Unter der Haube ist gleich noch ein Sampler, der sogar ein Mapping auf externe Keyboard-Tastaturen erlaubt. Hier lassen sich auch virtuelle Pads in 64'er- oder 16'er-Feldern ansprechen, auf die man beliebige Samples oder auch ganze Song-Strophen (die sog. Szenen) legen kann. Via Audio-Unit oder dem abgespeckten Inter-Audio-App-Standard (wo nur eine Instanz eines virtuellen Instruments ansprechbar ist) lassen sich externe Synthesizer bespielen. Dank vollständiger Midi-Unterstützung kann man hier auch Midi-Kanäle gezielt zuweisen. Ausgefeilt ist auch die Verwaltung externer Audio-Dateien, die sich kategorisieren und verschlagworten lassen und die via Suchfunktion schnell gefunden werden. Da hier gleichzeitig einzelne Pattern, Szenen und Songs verwaltet werden und zudem noch eine freie Verteilung auf Drum-Pads sowie Sample-Bearbeitung und auch Automationsaufgaben sowie Kanal- und Mastereffekte sowie ein Track-Mischpult unter eine Oberfläche liegt, braucht es etwas Geduld, bis man einen grundlegenden Überblick gewonnen hat. Dann zeigt sich, wie durchdacht die App gecoded ist. Wer sich die Mühe macht, kann eine potente DAW nutzen, die den teuren PC-Lösungen nicht nachsteht, sieht man derzeit von einer fehlenden Midi-Clock als Ausgangsynchronisation ab. Letzteres lässt sich aber durch eine weitere Instanz lösen, indem man diese via Ableton Link synchronisiert. Also man startet z.B. parallel Looper HD und lässt beide via Ableton Link synchronisieren. Loopy HD wird dann mit externem Midi-Equipment synchronisiert. Und so läuft auch Beatmaker 3 synchron, um z.B. Arpeggiatoren auf externen Hardware-Synthesizeren im Gleichtakt zu halten. Da sich Audioloops aus anderen Location schnell einspielen lassen, ist das Problem abstürzender Instanzen auch minimiert. Beatmaker ist unseres Erachtens damit eine der mächtigsten Lösungen unter iOS, die auch professionellen DAW das Wasser reicht. Wegen durchgehender Touchfähigkeiten am iPad aber einen hier überlegenen Workflow ermöglichen kann!

Natürlich gibt es noch viele weitere Apps, die einen patternbasierten Workflow ermöglichen, wie etwas das starke Beathawk oder iMPCPro2. Stark aber leider ohne elegante Audio-Unterstützung ist auch Modstep. Klassische, timelinebasierte Sequencer wie Cubasis 2 oder Auria Pro stehen ebenfalls bereit.

Welche Soundkarte für das iPad?

Doch wie kommt der Sound ins iPad oder iPhone, wenn man externe Audio-Quellen etwa von Hardware-Synthesizern aufnehmen möchte? Das gelingt am besten über eine Soundkarte, die man direkt über das Lighting-Kabel verbindet. Dafür gibt es spezielle Soundkarten wie etwa eine IKMultimedia iRig Pro Duo, die zwei Eingangs- und Ausgangskanäle sowie Midi In- und Out bietet. Soll das iPad im Betrieb noch geladen werden, dann muss die Soundkarte am Netzgerät betrieben werden (zertifiziertes IKMultimedia PSU 3A empfohlen), sonst kann die Soundkarte auch per im Lieferumfang enthaltenen 2 AA-Batterien betrieben werden. Und man benötigt zusätzlich noch ein iRigPowerBridge Ladegerät, das als Weiche dient und auch über einen Netzanschluss verfügt. Es gibt auch klassische USB-Soundkarten, wie man sie auch für den PC oder Mac kennt, die für iOS geeignet sind. Die müssen dann Class-kompatibel sein, sonst werden sie nicht im iOS-Gerät als Soundkarte erkannt. Damit man hier ein USB-Kabel mit der Lightning-Buchse verbinden kann, ist idR ein Lightning-USB-Adapter nötig; an den neuesten iPad-Modellen Vers. 2018 ist hingegen ein USB-C-Anschluss und kein Lightning-Kabel mehr vorhanden. Da idR kein Ladestrom aus der USB-Buchse kommt, der für einen Ladevorgang reicht, empfiehlt sich zusätzlich ein USB-Hub, der per Netzkabel betrieben wird. Es gibt auch spezielle USB-Soundkarten für iOS, die über einen Lightning-Anschluss verfügen wie etwa ein Presonus Audiobox iTWO, das aber zum Laden des iPad während des Betriebes auch ein extra Netzgerät benötigt (Kompatibilität zu gängigen Apps haben wir - im Gegensatz zur IKMulitmedia iRig Pro Duo nicht getestet).
Zugegeben, die Soundkarte liefert nicht parallel 16, 24 oder mehr Kanäle, die sich virtuell verwalten und mastern lassen. Aber da die Eingangs-Kanäle in der iOS-Recording-Lösung vielfach bereits digital direkt bespielt werden, ist dies eigentlich kein größeres Ding. Automation, Kanal- und Masteringeffekte stehen hier ebenfalls bereit.
Reicht auch ein Monoeingang etwa für ein Monomikrofon oder ein 6,3mm-Monoklinkenkabel einer (E-)Gitarre, dann bietet sich z.B. ein IKMultimedia IRig Key I/O auch als Komplettlösung mit einem 49'er-Keyboard, integrierter Soundkarte mit zwei Ausgängen und einem Kombi-Eingang (Instrument/Mikro). Das iPad lässt sich direkt anschließen.

Tipp: zweites iOS-Gerät nutzen

Ein zweites IOS-Gerät kann sich lohnen, um virtuelle Synthesizer oder Audiolooper etc. parallel zu einem weiteren iPad oder iPhone abzuspielen. Damit umgeht man Probleme wie abstürzende Audio-Units o.ä. Auch Korg Gadget kann so - soweit eine Soundkarte angeschlossen ist - und das zweite iPad dann z.B. über ein Mischpult zugespielt wird, dann virtuelle Sound im Audiorecorder mit Gadget-Namen "Zürich" direkt aufzeichnen. So erweitert man auch die Bedienfläche und kann live - synchronisiert z.B. via Ableton Link was von vielen Apps unterstützt wird - verschiedene Sequencer, Beatboxen oder Apreggiatoren etc. abfeuern. Der Dateiaustausch gelingt häufig geschmeidig via Air-Drop. Man kann hier auch den Kopfhörer-Ausgang - soweit vorhanden - nutzen, der in seiner Soundqualität an Soundkarten heranreicht. In einem 1:1-Vergleich konnten wir keine Unterschiede heraushören. Man sollte dann allerdings Audioeffekte abschalten.


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